10.04.2018
Tagesanzeiger, Ausgabe 5. April 2018
«Steh nicht nur herum, beweg dich doch mal!», schreit es neben mir. Spätestens jetzt bin ich richtig wach.
Es ist Samstagmorgen, ich bin auf dem Fussballplatz.
Wie es dazu gekommen ist?
Nun, bei zwei Söhnen stehen die Chancen gut, dass mindestens einer davon Fussballprofi werden will; und da schliesslich jede noch so grosse Fussballkarriere klein beginnt, haben auch wir unseren Sprössling in der Juniorenabteilung des lokalen Fussballclubs angemeldet.
Das Ganze startete harmlos: ein Training pro Woche, hin und wieder ein Freundschaftsspiel, bei dem eine Horde Kleinkinder in Schlabberdressen einem Ball hinterherrennt. Allerliebst.
Doch ehe wir uns versahen, ist der Fussball zum Familienhobby geworden. Seither verbringt ein Elternteil den Samstag auf dem Fussballplatz. Im Vergleich zu meinem Mann, der letzte Woche bei Schneeregen an derselben Stelle stand, habe ich heute allerdings keinen Grund zur Klage: Die Sonne scheint. Natürlich dauert so ein Spiel nicht den ganzen Tag, aber vom Zeitpunkt der Besammlung bis hin zum Nachbesprechen, Umziehen und Verabschieden vergehen gut und gern dreieinhalb Stunden.
Muffins für alle
Seitens des Vereins ist erwünscht, dass während der Spiele pro Kind eine Begleitperson anwesend ist. Bei Heimspielen werden davor noch Muffins gebacken oder Getränke organisiert; und dass am Samstag nur derjenige fürs Spiel aufgestellt wird, der die beiden wöchentlichen Trainings mitgemacht hat, versteht sich von selbst; auch zu den Trainings begleiten wir unseren Sohn mit dem Fahrrad, allein ist es durch den Stadtverkehr noch zu gefährlich.
Ich betreibe selbst sehr gern Sport, bewundere das grosse Engagement des ehrenamtlichen Trainerstabs, liebe Fussball und finde durchaus, dass ein Mannschaftssport einem Kind auch neben der physischen Betätigung vieles mitgibt. Nirgendwo lernt ein Kind besser, was Teamgeist bedeutet, auf andere Rücksicht zu nehmen, sich selbst und anderen Fehler zu verzeihen, sich gemeinsam zu freuen.
Nichtsdestotrotz gibt es Momente, in denen ich mich frage, ob es richtig ist, dass das Hobby unseres einen Kindes innerhalb der Familie so viel Raum und Zeit einnimmt. Denn in einem Verein ein bisschen Fussball zu spielen geht nicht, entweder man spielt richtig oder gar nicht. Dasselbe betrifft die Eltern: Ganz ohne eigenes Engagement klappt es nicht. Verglichen mit unserem anderen Sohn, der in einem Verein schwimmt, benötigt unser Fussballer beachtlich viel zeitliche Begleitung.
Waschtag mit 12 Trikots
«Kompakter stehen! Ihr sollt kompakter stehen!», schreit der Vater neben mir, tigert nervös die Linie entlang. Eine andere Mutter ruft ihrem Diego zu, dass sein Schuhbändel aufgegangen sei. Fussballspiele der F-Junioren bieten vor allem abseits des Platzes einiges an Spektakel, denn Fussballereltern sind ein lustiges Völkchen. Manche Eltern verlieren bei so einem Spiel schon mal Würde und Beherrschung. Auch jener Vater, der ungefragt in die Rolle des Trainers schlüpft und über den Platz brüllt, als wäre er verantwortlich für den Spielaufbau; Eltern, die ihren Kindern bei jedem Ballkontakt überschwängliches Lob zurufen oder sich selbst über die Fehlpässe fremder Kinder hemmungslos aufregen.
«Suuuper! Toll geflankt!», ruft es da stolz. Oh. Das war ja ich. «Fast hätte es ein Tor gegeben», schiebe ich hinterher, ganz so, als wolle ich mich für meinen emotionalen Ausbruch entschuldigen. Ich atme tief ein, wieder aus. Es gibt ja so einiges, tröste ich mich, wofür man andere Eltern belächelte – bis man selbst Kinder bekommen hat. Dann pfeift der Schiri das Spiel ab. Jetzt beginnt das grosse Warten auf die zwölf Fussballtrikots: Heute sind wir dran mit Waschen. rha